Haflinger – Plädoyer für die Urkraft aus den Bergen

Heller Mähne, heller Schweif, hellbraunes Fell: Haflinger kennen selbst die meisten Pferdelaien. Ihre auffällige Schönheit prägt Feste und Umzüge in Süddeutschland. Doch ihr Image ist zweifelhaft. Neben großer Neugier, Faulheit und der Neigung, alles mit dem Maul erforschen zu müssen, scheint die Welt es für rassetypisch zu halten, dass Haflinger übergewichtig sind. Wie oft wurde ich in der Vergangenheit angesprochen, dass ich mein sportliches Pony dringend besser füttern müsste! Wie glücklich sind alle mit meinem derzeit viel zu speckigen Wallach, der über eine Arbeitspause zuviel Futter abbekommen hat!
Große Liebe oder absolutes „No Go!“
In der Fachwelt scheiden sich die Geister über den vierbeinigen Blondschopf: entweder liebst Du die alpenstämmige Urkraft mit ihrem individuellen Wesen oder sie treibt Dich in den Wahnsinn. Dabei möchte der Haflinger an sich einfach verstanden werden. Die meisten zeichnet eine sehr hohe Sensibilität aus. Bei falscher Behandlung ziehen sich Haflinger in sich selbst zurück und werden zu desinteressierten Stieseln. Oder sie entwickeln sich zu üblen Grenzüberschreitern, mit denen der tägliche Umgang zur Qual wird. Jahrelange Einzüchtung von Araberblut in einige Linien hat deren Charakter nicht verbessert. Arabo-Haflinger erscheinen gegenüber den Reinblütigen oft eleganter. Die Verbindung des stürmischen Arabers, der sein Heil herkunftsbedingt im schnellen Galopp sucht, mit dem besonnenen Bergpony, das abwartend Gefahren erst einzuschätzen versucht, bevor es Energie und Gesundheit durch kopfloser Flucht über Geröllboden riskiert, hat eher schwer einschätzbare Ponys hervorgebracht. Für Anfänger, Durchschnittsreiter und Kinder sind diese Exemplare ungeeignet.
Typisches Pony mit kleinen Eigenheiten
Tatsächlich wirst Du, wie bei allen Pferderassen, in einer Haflingerherde alle Wesensarten vom lernwilligen Pony über den Frechdachs bis zum schläfrigen Schleicher finden. Neben der bereits erwähnten Sensibilität sind ihnen ein eigenwilliger Umgang mit unbekannten Situationen und die Bereitschaft, sich auf „ihren“ Menschen einzulassen, gemein. In der Auswahl, wer „ihr Mensch“ ist, sind Haflinger eigen. Erstaunlich oft kommen gut erzogene Haflinger mit Kindern prima zurecht, während sie mit erwachsenen Reitern regelmäßig in Wettstreit um die Vorherrschaft treten. Jahrelange Arbeit mit Haflingern hat mich gelehrt, dass sie stärker als alle anderen Ponys umworben werden möchten. Jeder einzelne Haflinger arbeitete fantastisch mit, sobald klar war, worin seine Stärken lagen, er ausreichend intensiv arbeiten durfte und klare, absolut unumstößliche Grenzen feststanden. Unarten, wie Beißen, Schnappen, Schlagen oder Buckeln, wofür leider so viele Haflinger einen schlechten Ruf haben, verschwinden, sobald sie „ihre“ Aufgabe gefunden haben.
Ein Pony für alle Fälle
Kutsche, Therapie, Zirkus, Westerntrail, Springparcours, Dressurviereck oder Wanderreiten: liegt Deinem Haflinger die gestellte Aufgabe und achtest Du sorgfältig auf seine Grenzen, wird er immer sein Bestes geben! Die Westernszene hat schon vor vielen Jahren den „Alpenquarter“ als Alternative für das echte Quarterhorse für sich entdeckt. Viele Wanderreiter schwören auf die Ausdauer und breite Einsatzmöglichkeit ihrer Bergponys. Lässt Du Dich auf diese prächtigen Tiere ein, können sie Dir sehr viel in Sachen Sensibilität und Kommunikation beibringen, das sich auch im Zusammenleben mit Zweibeinern erfolgreich anwenden lässt.
Jenen, die das Besondere suchen und den rechten Blick für Pferde haben, kann ich nur zum Haflinger raten: gewinnt Du das Herz Deines Haffis, dann hast Du einen Freund fürs Leben!
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