Becken einfahren - Die letzte Hürde

Nachdem das Aquarium fertig eingerichtet und mit Wasser befüllt ist, sieht es nun völlig bezugsfertig aus. Es ist für Neulinge sehr verlockend, jetzt den Besatz einziehen zu lassen - doch genau hier liegt einer der häufigsten Anfängerfehler der Aquaristik! Denn bevor Tiere in ein Aquarium gesetzt werden können, muss dieses zunächst eingefahren werden. Damit bezeichnet die Aquaristik den mehrere Wochen dauernden Prozess, durch den sich im Aquarium ein stabiles Ökosystem bildet, in dem Tiere überleben können. Anders als in einem natürlichen Gewässer, wo verschiedene Bakterien sich um die Aufspaltung und Verwertung von Giftstoffen kümmern, ist das Aquarienwasser nämlich zunächst unbelebt. In solches Wasser Tiere einzusetzen würde bedeuten, diese ihren eigenen Giftstoffen (durch Kot, Fütterung etc.) und schließlich dem Vergiftungstod auszusetzen. Wie genau ein Aquarium eingefahren wird und was dabei passiert, soll nun genauer erklärt werden.

Biologische Hintergründe

Im natürlichen Gewässer herrscht ein mikrobiologisches Gleichgewicht. Giftstoffe, wie sie durch im Wasser lebende Tiere, Faulendes Laub und ähnliches entstehen, werden von Bakterien in weniger schädliche Stoffe umgewandelt. Für die Aquaristik wichtig sind hier vor allem Nitrit und Ammoniak, die beide hochgiftig sind: Nitrit beispielsweise ist schon in geringen Mengen (0,1 mg/Liter) schädlich. Im Rahmen der so genannten Nitrifikation wird dieses Gift von bestimmten Bakterien, die sich von Nitrit ernähren, aufgenommen und in das viel weniger schädliche Nitrat umgewandelt. Dieses wiederum wird von Pflanzen als Dünger genutzt, so dass das Wasser sauber und unschädlich für den Besatz bleibt. Bei PH-Werten über 8 entsteht im Wasser außerdem Ammoniak, der durch einen ähnlichen Prozess in Ammonium umgewandelt wird, welches ebenfalls von Pflanzen genutzt wird. Dies nennt sich Ammonifikation. Damit dieser biologische Kreislauf funktionieren kann, müssen alle Bakterien in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander existieren. Genau dieses muss im Aquarium während des Einfahrens erst hergestellt werden.

Der Prozess des Einfahrens

Das Einfahren selbst erfordert keinen großen Aufwand seitens des Aquarienbesitzers. Die Prozesse im Wasser laufen von selbst ab, die ersten Bakterien befinden sich bereits im Leitungswasser (das niemals völlig steril ist) und auch an Pflanzen und anderen Gegenständen. Zu Beginn des Prozesses kann der Besitzer einige Flocken Trockenfutter ins Aquarium streuen, um den Bakterien Nahrung zu bieten - aber auch das ist eigentlich nicht notwendig, da Pflanzen und eventuell mit den Pflanzen eingeschleppte Schnecken bereits genug Nahrung produzieren. So bleibt dem Besitzer lediglich, die Prozesse im Becken zu beobachten und die Wasserwerte zu überwachen.

Zunächst kann es vorkommen, dass sich im Aquarium sichtbare Bakterienkulturen bilden, die sich beispielsweise als trüber Nebel oder auch auf Gegenständen als Kolonien befinden (so genannte Bakterienblüte). Diese Kulturen müssen und sollten nicht entfernt werden, sie werden mit der Zeit von selbst verschwinden. Sie entstehen durch eine Bevölkerungsexlosion der Bakterien durch einen sehr reichlichen Nährstoff und verschwinden mit dessen Versiegen. Durch die so entstandenen Abfallprodukte dieser Bakterien erhalten die nächsten Kulturen ausreichend Nährstoffe und machen dieselbe Entwicklung. Über den Zeitraum einiger Wochen entwickeln sich so nach und nach die für ein Ökosystem nötigen Kulturen und pendeln sich nach und nach auf ein ausgewogenes Verhältnis ein.

Die Wasserwerte überwachen

Bis das System stabil ist, entstehen immer wieder Schwankungen und starke Erhöhungen (Peaks) bestimmter Stoffe. Diese sind der Grund dafür, dass vorher keine Fische eingesetzt werden können. Im Verlauf des Einfahrens wird es zu einem Anstieg des für Fische tödlichen Nitrits kommen, der schließlich an seiner Spitze (Nitritpeak) Werte von über 1g/Liter erreiche kann - für Fische ist solch ein Wert absolut tödlich. Der Peak findet häufig zwischen dem 21. und 24. Tag statt, bei kleinen Aquarien auch deutlich früher. Danach sinkt er innerhalb von ein bis zwei Wochen wieder ab. Analog zum Nitritpeak existieren auch Peaks für Ammoniak, Ammonium und Nitrat. Die Überwachung dieser Werte sollte nur mit Tropfentests (im Zoofachhandel erhältlich) stattfinden und nicht mit Teststreifen - diese sind wesentlich ungenauer. Erst wenn alle Werte sich über längere Zeit eingependelt haben, können Tiere eingesetzt werden. Allerdings sollte dies im Abstand von einigen Tagen in kleineren Gruppen passieren, um das ökologische Gleichgewicht nicht zu gefährden; die Bakterien müssen sich erst an die erhöhte Belastung anpassen. Sollten die Wasserwerte nicht gemessen werden, sollte Besatz frühestens nach 6 Wochen eingebracht werden.

Fehler und Diskussionen beim Einfahren

Es gibt einige Dinge, die der Aquarienbesitzer während der Einlaufphase unbedingt unterlassen sollte, um den Prozess nicht zu behindern. Der größte Fehler ist hierbei eine übermäßige Reinlichkeit im Aquarium. Filterreinigungen, das Absaugen von Bakterien und Bodengrundreinigungen sind in der Einlaufphase absolut schädlich und sollten nur im Notfall vorgenommen werden, da auf diese Weise die sich entwickelnden Bakterienkulturen zerstört werden - denn diese befinden sich vor allem in Filter und Bodengrund. Es sollte generell so wenig wie möglich im Aquarium gearbeitet werden.

Einige Aquarianer empfehlen den Einsatz von so genannten Bakterienstartern, die die Filterbakterien in hoher Konzentration enthalten und so das Einfahren beschleunigen sollen. Dieser Effekt ist allerdings nicht bestätigt, so dass der Einsatz vorerst weiterhin eine Überzeugungsfrage bleibt.